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„In die kleine Kirche…“

Das neue Buch„In die kleine Kirche...“

Ein wichtiges Buch zu den „Markgrafenkirchen“

„In die kleine Kirche, mit vieler Rührung gemeinschaftlich mit den Hummelbauern Choräle gesungen.“ So vermeldet‘s das Tagebuch von Cosima Wagner am 14. Juli 1872. Man wohnt noch nicht in Bayreuth, sondern im nahen Fantaisie, und die Frau des Komponisten ergänzt ihre Notiz: „Die schmucklose Kirche, die stehende, nicht kniende Gemeinde, das gesungene Gebet, stimmten mich gottesfürchtig.“

So schmucklos ist die Kirche St. Ägidien in Eckersdorf denn doch nicht, aber Cosima Wagner hat schon das Rechte erfasst, als sie die Stimmung in der „kleinen Kirche“ beschrieb. Dass heute die so genannten Markgrafenkirchen ein Begriff sind und nicht mehr im Verdacht stehen, nur mehr oder weniger nüchterne protestantische Zweckbauten zu sein: Wir verdanken es auch dem Verein Markgrafenkirchen e.V., der sich um das wertvolle Erbe kümmert, das uns die Bayreuther Fürsten – und viele fleißige Hände – v.a. des 17. und 18. Jahrhunderts hinterließen. Stand am Anfang einer ersten breitenwirksamen Aufarbeitung dieses besonderen Typus‘ der fränkischen Sakralbauten ein von Karla Fohrbeck erarbeiteter Flyer, kann der Wissensdurstige inzwischen neben auch neueren Kirchenführern auf einen Monumentalband zugreifen, der das Phänomen der Markgrafenkirche interdisziplinär in den Griff bekommt. Denn Bau- und Landesgeschichte, Liturgie und Ikonographie, Kunsthandwerk und Glauben verknüpfen sich in den nicht weniger als gut 100 Bauten in einer Weise, die das bloße Fachidiotentum von vornherein zum Scheitern verurteilt.

2019 fand ein Symposion statt, das unter den Rubriken Grundlagen, Bestand, Konzeption und Nutzung, Kontext und Wirkung die „heiligen Räume“ erschloss: samt eines sinnreichen Inventars, das 95 Markgrafenkirchen so aufschlüsselt, dass wir schon nach den dürren Daten den kulturellen Reichtum dieser zwischen Alladorf und Wunsiedel befindlichen Stifts-, Hospital-, Dorf- und Stadtkirchen und Kapellen mit seinen Türmen, Emporen, (Kanzel-)Altären, Malereien und Taufengeln begreifen. Im Musterfall des lutherischen Bauens wurden immer wieder reizvolle Varianten entwickelt, besondere Bilder erfunden, zwischen Bauernbarock und adliger Hofkultur (wie‘s die Nähe zur Hauptstadt Bayreuth ermöglichte) changierende Kunstwerke, Herrschaftsstände, Grabmäler und Taufen hergestellt. Nur seltsam, dass der Orgel keine Spalte innerhalb der Inventarisierung eingeräumt wurde; dafür entschädigt ein ausführliches Kapitel in Konrad Kleks Aufsatz über die Musik, woraus wir erfahren, dass lediglich die Erlanger Hugenottenkirche noch ein originales und zugleich original klingendes Instrument besitzt. Reizvoll, sich Wagner am Instrument in St. Ägidien, unter dem Stuck Rudolf Albinis, also der symbolischen Verbildlichung des dreieinigen Gottes in Verbindung mit Gnadenstrahlen sitzend, beim Spielen vorzustellen. Cosima Wagner hätte es sicher mit Zustimmung notiert.

Apropos „schmucklose Kirche“: Das Langhaus von St. Ägidien, auf das man vom ehemaligen Hotel Fantaisie hinüberschauen kann, besitzt einen polygonalen Grundriss. Das ist nicht einzigartig, allein es ist bemerkenswert. Auch diese Eigenheit macht die einzige Markgrafenkirche, die Richard Wagner und seine Familie – neben den Bayreuther Kirchen – nachweislich besucht haben, so sehenswert: eine Beobachtung, die man in der Lektüre des umfangreichen Tagungsbands nun, mit viel oder mit weniger Rührung, mehrdimensional vertiefen kann.

Markgrafenkirchen“. Interdisziplinäre Perspektiven auf die protestantischen Sakralbauten des Fürstentums Brandenburg-Bayreuth. Im Auftrag der Markgrafenkirchen e.V. hrg. von Günter Dippold u.a. Bayreuth 2022. 559 Seiten, 204 meist farbige Abbildungen. Gegen eine Spende erhältlich beim Verein Markgrafenkirchen e.V.

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