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OperUnd trotzdem

Götterdämmerung am Landestheater Coburg

Noch immer stören sie: die sog. „Besucher“. Ganz zuletzt erscheint sogar ein „Besucher“ aus dem All – als offenkundiges Zitat des Populär-Mythos der Alien von Roswell.

Das macht die Sache auch nicht besser.

2019 kam das Rheingold heraus, nun endlich wurde der Schlussstein auf den Coburger Ring gesetzt – und noch immer nerven sie. „Die Besucher“, so lesen wir’s im Programhefterl des Rheingold, „bieten die Möglichkeit der ironischen Brechung des Geschehens – es sind Menschen von heute, durch deren Präsenz die mythische Geschichte wieder zum Leben erweckt wird. Dabei treten zwei zeitliche Ebenen in Kontakt: die mythische, allgegenwärtige Zeit und die heutige, chronologische Zeit.“ Nein, das tut es nicht. Nebenbei: Dass der Coburger Ring im Raum eines „Museums“ zu spielen hat, sagt ja schon einiges über die Relevanz der Unternehmung, deren Statistenpersonal nichts bis sehr wenig zum an sich reizvollen Kontrast von Mythos und Moderne beizutragen hat; auch daran scheiterte schon der Bayreuther Dorst-Ring. Dafür aber ist auch die Götterdämmerung sträflich unterinszeniert. Würde nicht Irina Oknina eine tatsächlich „präsente“ Brünnhilde spielen, würde Alexander Müller-Elmaus Inszenierung vollends in der Bedeutungslosigkeit versinken. Immerhin macht die Sängerin im zweiten Akt in ihrem Zwangskleid durchaus eine bella figura. Der Rest changiert zwischen Stehtheater und wenigen Regieeinfällen; merke: „Regieeinfälle sind die Läuse der Regie“, wie Heiner Müller einmal bemerkte. Also darf, das ist wie üblich denunzierend, Gutrune in knallrotem Lackleder Siegfried wie eine Prostituierte becircen, herrscht zwischen Brünnhilde und Siegfried beim Abschied die totale Beziehungslosigkeit, gibt’s eine blödsinnige Personenspaltung in der Überwältigungszene, darf Alberich als Chorverstärker in seiner Alberich-Rolle absurderweise im Mannenchor mitsingen und zuletzt, nachdem er um des Ringes willen die Dragqueen Hagen gemeuchelt hat, plötzlich den Ring, um den er einen Vorabend und drei Tage kämpfte, freiwillig und bedeutungsschwanger ins Publikum werfen. Einziges Positivum: die Rheintöchter machen, in den hohen Museumsvitrinen stehend, während des nächtlichen Zwiegesprächs zwischen Hagen und Alberich, durchaus Eindruck; wenn sie später als Frauen von der Straße wieder auftauchen und sich zum Gespräch mit Siegfried wieder in sich leicht bewegende Museumsfiguren verwandeln, ist’s ein Ansatz in der Begegnung zwischen Mythos und Alltag – der unverdaut verraucht. Von den Kostümen sollte man höflicherweise schweigen: Wer, wie Julia Kaschlinski, Hagen und Gunther ohne Oberhosen auftreten lässt, orientiert sich an einer dramaturgisch sinnfreien wie gleichzeitig aufgesetzten Avantgarde von vorgestern.

Lassen wir also die Inszenierung und kommen wir zum Wesentlicheren. Leider klingt das Globe, der Ersatzbau des alten Coburger Landestheaters, unter der Leitung von Daniel Carter nicht ausgewogen. Wer das Pech hat, auf einer der seitlichen Tribünen zu sitzen, hört vor allem die Instrumente der jeweiligen Seite. So kommt’s, dass man schon am Anfang das sog. Seil-Motiv der Violoncelli kaum vernimmt, immer wieder die Bläser vorherrschen – und der Abend stellenweise zu einem Konzert für Harfe und Orchester wird. Wer in der Rheintöchterszene eher das Zupfinstrument als die Streicher und im Trauermarsch (im Trauermarsch!) noch die Harfe vor der Blechbläsern deutlich heraushört, weiß, dass er in einem Haus sitzt, in dem die Feinabstimmung der Akustik zweitrangig war. So aber ist es unmöglich, die orchestrale Güte dieser Produktion zu charakterisieren; dass die Bläser, insbesondere die Hörner, gelegentlich sehr unrein artikulieren, mag den Problemen jeder „normalen“, die Blechbläser ungemein fordernden Götterdämmerung geschuldet sein; im nahen Bayreuth gestattet man sich halt den Luxus, die Bläser während der Aufführungen auszutauschen. Auffallen tut’s doch. Unter den Sängern ragt der sonore Gunther des Lars Fosser heraus, während Michael Lion seinem Hagen immerhin stark deklamatorisch gefärbte Töne verleiht, wobei die Betonung auf „stark“ liegt. Siegfried ist Gustavo Lopez Manzitti; er arbeitet sich mit Anstand durch die Partie, wobei der Altersunterschied zwischen den Sängern darauf hinweist, dass Siegfrieds Tante nach Siegfrieds Geburt geboren sein muss. Immerhin apart das. Sehr achtbar: Kora Pavelićs Waltraute, nicht schlecht, wenn auch gelegentlich etwas zu spitz artikulierend: Ana Naque als Gutrune, während die an sich gute, volltönende, wenn auch gelegentlich vom Orchester überdeckte Irina Oknina weniger Wagnerdeutsch als Esperanto singt. Martin Trepls Alberich ist gut, die ersten beiden Nornen und Rheintöchter sind, pardon, indiskutabel, aber man muss ja froh sein, dass der Ring überhaupt an einem so kleinen Haus wie Coburg realisiert werden konnte. Und trotzdem.

Ps: Die „Besucher“ haben doch eine Funktion: Wenn sie nicht sinnentleert herumlaufen und ebenso schauen, tragen sie Stühle. Sie sind also nichts anderes als simple Bühnenarbeiter. Man merkt die „dramaturgische“ Absicht und ist verstimmt.

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