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Graphische Mappenwerke

Bildende KunstGraphische Mappenwerke

Lithographie im Steindruck in Asphaltschabtechnik auf Hahnenmühle-Bütten. Kaltnadel, mit Pinsel in farbigen Tuschen. Holzschnitt auf Shiohara-Japanpapier. Vernismou, Aquatinta, Pinselätzung. Farbradierung auf Kupferdruck-Bütten. Algraphie, Offset, Blindprägung, Fotografik – dies sind nur einige wenige der Techniken, die der Besucher einer Ausstellung studieren kann, die den schlichten Obertitel „Graphische Mappenwerke“ trägt. Zusammengestellt hat die Mappen seinerseits ein Graphiker: der Bayreuther Friedemann Gottschald. Seine Vorliebe nicht allein für die – bis zur Wiedervereinigung – westdeutschen Kunstgraphiken hat dafür gesoregt, dass eine in Bayreuth vermutlich vergleichslose Privatsammlung entstand, die einen glänzenden Überblick über wichtigste Tendenzen der Nachkriegslithographien, -kaltnadelradierungen, – holzschnitte (und -risse) etc. zu geben vermag. Noch im Februar kann Einiges aus dieser augenöffnenden Sammlung im Kunstmuseum besichtigt werden, das sich der Moderne verschrieben hat.

Der Fülle der Techniken, die die Blätter zum Leuchten bringen oder in ein Dunkel hineintreiben, das auf düsterste Weise von innen zu schimmern beginnt, je länger man sie anschaut, der Variantenreichtum dessen, was in der Graphik ausgedruckt, geschabt, geritzt und getuscht werden kann, entspricht eine Bandbreite der Motive, die die Frage nach der Dominanz der sog. abstrakten oder der angeblich gegenteiligen Kunst von selbst erledigt. Denn dort, wo sich ein Karl-Georg Hirsch, ein Baldwin Zettl oder ein Gerhard Altenbourg der Figur annehmen, merken wir, dass in den erkennbaren Motiven immer noch viele Rätsel stecken – ist „Kunst“ etwas, was zu ergreifen vermag und Deutungsräume eröffnet, so sind wir bei den fantastischen Ansichten der Menschen- und Tierwelt im Medium der Graphik zuhause. Zettls Ring des Nibelungen ist mit seinen Bilderfindungen – das Finale der Tetralogie als monumentales und doch fein gestochenes Kreisbild – eben mehr als eine Nacherzählung, Rolf Münzners Rad-Zyklus, in dem die Velocipedeure aus Schwarz und Weiß betörend zartgliedrig aufscheinen, die geheimnisvollen wie unheimlichen Nachtwelten Werner Wittigs, Christiane Baumgartners Autobahnansichten, die „eigentlich“ nur aus schwarzen und weißen Striche bestehen: Sie stehen für das Beste der Nachkriegsgraphik ein. „Schwebende Labung und Schauer“, so heißt ein Blatt des Altmeisters Gerhard Altenbourg, „Untaugliche Versuche“, so lautet der Untertitel einer Graphik Christoph Meissners, die im klassischen Sinne holzschnitthaft anmutet, aber untauglich ist nichts in dieser Preziosenschau, die den Zuschauer das genaue Hinschauen lehrt: selbst und gerade dort, wo das Thema unwichtiger ist als der Stil.

Gerda Lepke hat mit einem Rückenakt der Göttin Diana eine großformatige Algraphie geliefert, die mehr Übermalung als genaue Körperform ist. Den Kunstfreund erinnert sie an Balzacs Novelle vom unbekannten Meisterwerk – am Ende eines langen Entstehungsprozesses ist dort, im Porträtgemälde des Malers Frenhofer, unterhalb einer wirren Farbfläche nur noch die Spitze eines Fußes sichtbar. Die Ausstellung im Kunstmuseum zeigt uns mit bisweilen überwältigender Optik, dass die Kunst der Graphik nicht zuletzt darin besteht, unter der Oberfläche der Zeichnung die Tiefe(n) zu entdecken, die uns die Entdeckung einer Fußspitze – und eines wilden Linienspiels so kostbar machen.

Graphische Mappenwerke von Altenbourg bis Zettl aus der Sammlung Friedemann Gottschald. Kunstmuseum Bayreuth, Maximilianstr. 33. Bis 27.2. 2022.

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