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Die Weidenberger Bahrschilder

HeimatlichesDie Weidenberger Bahrschilder

Die Weidenberger Kirche St. Michael gilt vollends zurecht als Prunkstück des markgräflichen Barockstils. Besuchern jedoch, die das monumentale Bauwerk besichtigen und sich vom himmlischen Prunk auf der (zur Erbauungszeit recht kärglichen) Erde ablenken lassen, entgehen zwei kleine ovale Scheiben, die sich links und rechts der inneren Eingangstür befinden und auf ein vergangenes Kapitel der Lokalgeschichte verweisen. 

Schon im Mittelalter hatte eine wahre „Verstädterung“ auch unserer Region eingesetzt, die zur Folge hatte, dass sich die bis dato meist landwirtschaftlich geprägte Gesellschaft tiefgreifend veränderte. Aus den Bauern, die meist auf verlehnten Höfen arbeiteten und viele Produkte des täglichen Lebens selbst herstellten, hatten sich Handwerker entwickelt, die immer öfter in die größeren Siedlungen zogen, um dort den in der Entwicklung befindlichen „Markt“ zu bedienen. Daraus entstand – vollends logisch für dieses frühkapitalistische System – eine gewisse Konkurrenz zwischen den einzelnen Anbietern, die beispielsweise versuchten, einander durch günstiger hergestellte Waren auszubooten. Die damit einhergehende Qualitätsminderung nötigte schon bald dazu, die Hersteller in einer Organisation zu vereinen, die sich zum einen um die Wahrung ihrer Rechte kümmerte, zum anderen jedoch dafür sorgte, dass eine gewisse Fairness im Vertrieb der Waren sichergestellt werden konnte: Die „Zünfte“ waren geboren. Neben den bekannten Vereinigungen, die in großen wie auch in kleinen Städten die Bäcker, die Müller oder landwirtschaftlich orientierte Handwerksberufe wie Wagner zusammenfassten, organisierten sich – je nach Anzahl – mancherorts auch die Schmiede in einer entsprechenden Einung. In Weidenberg lässt sich eine solche Institution bereits seit 1688 nachweisen, was darauf schließen lässt, dass ihre Traditionen weit zurückreichen müssen. Tatsächlich gilt die These, derzufolge die namensgebenden Herren von Weidenberg als Lokatoren und auch als Überwacher einer seit dem Hochmittelalter betriebenen Suche nach Erzen fungierten, als gesichert. Urkundlich fassbar wird der Bergbau zwar erst 1466, entwickelte sich dann jedoch innerhalb kürzester Zeit zur gewinnbringenden Wirtschaftsmacht: Schon 1450 war eine Berggesellschaft gegründet worden, um die Fördermengen zu steigern. Rund um den Ort hatten sich davon ausgehend nicht allein Zechen und Bergwerke entwickelt, sondern es war eine Art „kleines Ruhrgebiet“ entstanden, in dem auf relativ engem Raum die Verarbeitung der abgebauten Rohstoffe direkt vor Ort geschehen konnte. Von den Gruben mit recht bildhaften Namen wie „Reiche Zeche“ oder „Beschertes Glück“ kamen die Erze in die produzierenden Betriebe, „darunter drey Waffenhämmer, von denen zwey zur Oberpfalz gehören [und deren][…] Arbeiten auf Märkte und Messen geschickt und von In- und Ausländern aus fernen Gegenden abgeholt werden“, wie Johann Michael Füssel in seinem Tagebuch schreibt. Diese sogenannten „Schrötelhämmer“ (Hammerwerke zum Zerkleinern des Erzes vor dem eigentlichen Schmelz-Vorgang) stecken noch heute in vielen Ortsnamen wie „Rosenhammer“ und dienten daneben als Vorlage für unzählige Sagen, in denen sich die „Schröteler“ den ein oder anderen Scherz mit den neuen Bewohnern ihrer alten Mühlen erlaubten.  Mit Aufkommen der weiterverarbeitenden Berufe und der relativ schnell eintretenden „Sättigung“ des Marktes wurde schon bald eine Spezialisierung auf einzelne Produkte notwendig: So etablierten sich neben den Hufschmieden auch die Nagel-, Ringel- und Sägschmiede, die sich in Weidenberg (wo sich noch Ende des 18. Jahrhunderts 15 solcher Handwerker nachweisen lassen) in einer entsprechenden Zunft zusammenschlossen. Ausschlaggebend für diese Form der Organisation waren neben der bereits erwähnten Sicherstellung des fairen Wettbewerbs untereinander auch die Festschreibung der Gesellen-Ausbildung, die Dauer der Lehrzeit und – meist vergessen – starke Auswirkungen auf das Privatleben der Mitglieder. Wer Teil einer Zunft werden wollte, musste nicht allein über das notwendige Kapital verfügen, mit dem die Eignung ihre Geschäfte betrieb und das notfalls unschuldig verarmten Kameraden zur Verfügung gestellt wurde, sondern sich auch den Gepflogenheiten und Regeln unterwerfen. So war mit einer Anzeige aus den eigenen Reihen zu rechnen, sofern ein Mitglied Gott lästerte oder sich despektierlich über einen seiner Brüder äußerte, ohne Beweise für seine Beschuldigungen vorweisen zu können. Als Ehre jedoch galt es den Meistern, wenn ihnen bei der Beerdigung von den übrigen Mitgliedern der Zunft das Geleit gegeben wurde, wodurch auch die ominösen Tafeln in der Weidenberger Michaels-Kirche ihren wahren Sinn enthüllen. Es handelt sich dabei um „Bahrschilder“, die man bei Beerdigungen entweder direkt am Sarg des verstorbenen Meisters oder aber an einem „Bahrtuch“, das ihn bedeckte, befestigte. Interessant sind in diesem Zusammenhang in erster Linie die beiden unterschiedlichen Ausführungen: Während das eine Schild die in der Zunft vereinten Schmiedeberufe aufführt, zeigt das andere, dominiert von den beiden herrschaftlichen Löwen, die jeweiligen Symbole wie Wagenrad, Säge und Gürtelschnalle. Es darf davon ausgegangen werden, dass einst mehrere dieser Schilder existierten (auch für andere Zünfte, wie die Bäcker), wovon sich jedoch vermutlich keine mehr erhalten haben. Insofern bieten diese beiden, wenngleich unscheinbaren Objekte einen beeindruckenden Blick in die Vergangenheit nicht allein Weidenbergs, sondern der gesamten Region und weisen zudem auch auf die Gesellschaftsformen unserer Vorfahren hin. 

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