Gestern erwischte ich mich dabei, wie ich mir neben dem obligatorischen Müsli einen kleinen, feinen blended Scotch zum Frühstück einschenkte. Erschrocken über mich selbst drückte ich die Lucky Strike aus, legte den Satinbademantel ab und setzte mich von der ganzen Aufregung erschöpft in meinen Ledersessel, um den neuesten St. Eves-Fall weiterzulesen.
Ach war sie schön, die Zeit, als Frauen noch hübsch sein durften und rauchten, Männer sich noch ganz ungezwungen zum Frühstück einen Whisky gönnten und die Welt in zwei Lager aufgeteilt war: Die schlechten und die schlechteren. In den Krimis von Ross Thomas kann man sich in dieser Welt verlieren und das ganz harmlos und unbedenklich. Die Bücher wurden vor Jahrzehnten geschrieben, als die Welt noch anders tickte. Leben und Leben lassen, vor allem aber sterben lassen ist das Motto und in den Neuübersetzungen des Alexander Verlags Berlin wird dieses in schönster Form vermittelt.
Die jetzige Neuerscheinung „Keine weiteren Fragen“ spielt in den Siebzigerjahren in L.A. und Washington und handelt von einem sehr wertvollen verschwundenen Buch, nämlich der Erstausgabe von Plinius Naturalis Historia. Die Entführer dieses Buches wollen 250.000 Dollar Lösegeld, was – das habe ich mal eben ausgerechnet – heute ca. 1.8 Millionen entsprechen würde. Sollten Sie, geneigter Leser, also dieses Buch auf dem Dachboden vergessen haben… Aber zurück zum Inhalt. Der etwas abgehalfterte, aber immer stilbewusste Vermittler Philip St. Ives löst diesen Fall mit Bravour, stolpert über die eine oder andere Leiche und diese und jene Schönheit und bleibt bei allem immer cool.
So kann man das Buch auch zusammenfassen: Es ist ein cooler Genuß. Aber genug geschwärmt. Ich widme mich jetzt ganz nüchtern wieder dem alten Goethe und schenke mir zivilisiert einen Kamillentee ein.