Er ist – darauf ist man stolz – der älteste bayerische Geschichtsverein. Was ist „Geschichte“? Geschichte war und ist immer noch ein bisschen das, was in patriotischem Sinn erforscht werden kann; schon das Feld, das in Oberfranken beackert werden kann, ist riesig: von den ersten Spuren menschlicher Besiedlung bis zu den letzten Verwerfungen des späten 20. Jahrhunderts. „Ältere kirchliche Geschichte von Kulmbach“, so lautet der Titel des ersten Aufsatzes in der ersten Nummer der vereinseigenen Zeitschrift. „Demarkationslinie – Grenze – Todesstreifen. Zwei ehemalige Bundesgrenzschutzbeamte berichten“, unter dieser Über- und Unterschrift berichteten im Januar 2022 zwei ehemalige Grenzschützer über das, was sie an der deutsch-deutschen Grenze erlebt hatten. Begonnen hat die Vereinsgeschichte nicht mit brutalen, sondern eher mit romantischen Vorstellungen, die, kurz nachdem sich die deutschen Länder von Napoleon und seinen kriegerischen Folgen, aber auch von den denkmalzerstörenden Exzessen der Säkularisation von 1803 (die Aufhebung der Klöster und die Verschleuderung des kirchlichen Kulturguts) erholt hatten, tief in der Findung einer deutschen Nation wurzelten. Plötzlich besannen sich nicht allein die Brüder Grimm auf historische Überreste dessen, was man als „Heimat“ zu bezeichnen pflegte. Man gründete Museen, Archive – und Vereine, die die noch existierenden Dokumente der Vergangenheit bewahren und wissenschaftlich bearbeiten wollten. 1827 ging also eine Einladung an die Freunde der vaterländischen Geschichte heraus. So kamen 260 Unterstützer zusammen, die unter der Stabführung des Bayreuther Bürgermeisters Christian Erhard von Hagen und einiger anderer honoriger Vertreter der Gesellschaft den Verein für Baireuthische Geschichte und Altertumskunde gründeten: für eine umfassende Geschichtsschreibung für „den großen Wechsel der mannigfaltigen Formen des Landeigentums und der Gewohnheiten des Landbaus, die Geschichte der Kirche, die Gerichtsverfassung, die Rechte und Ordnungen der Städte und Märkte, die Geschichte der Kunst, des Handels und der Gewerbe und dergleichen“. Mit diesem „Aufruf“ beginnt auch die Geschichte der Sammlungen des Vereins, die auch den Grundstock für das Bayreuther Stadtmuseum bildeten. Schon 1828 kam das erste Heft des Archivs für Bayreuthische Geschichte und Altertumskunde zustande. Beschirmt vom kulturliebenden, -bewahrenden und -schaffenden König Ludwig I., konnte 1830 ein Verein für die Heimatpflege des gesamten Obermainkreises ins Leben gerufen werden, worauf sich zunächst ein (noch bestehender) Bamberger Geschichtsverein gründete, der Bayreuther Verein offiziell zum Historischen Verein des Obermainkreises bzw. zum Verein für Geschichte und Altertumskunde, Geographie und Statistik des Obermainkreises ernannt wurde und aus dem wissenschaftlichen Blatt das Archiv für Geschichte und Altertumskunde des Obermainkreises wurde, dessen Nachfolge, das Archiv für die Geschichte von Oberfranken, als stattliches Werk jährlich mit Aufsätzen zur Regionalgeschichte erscheint. Seit 1837 trägt der Verein den heutigen Namen – seinerzeit waren schon zwei Jahre ins Land gegangen, in denen die Bayerische Akademie der Wissenschaften und die Historischen Vereine des Bayerischen Vaterlandes auf den Wunsch Ludwigs I. eng zusammenarbeiteten. 1842 konnte man vermelden, dass sich der Austausch mit „sämtlichen inländischen Vereinen“ und „sechs ausländischen Organisationen“ höchst rege gestalte – woran man sieht, dass die Bayreuther Geschichtswissenschaftler weit über den Tellerrand des Obermainkreises hinausblickten.
Die stärksten Einschnitte musste man im 20. Jahrhundert registrieren, als die Protagonisten des ersten Weltkrieg die internationalen Beziehungen kappten und in der NS-Zeit der Verein mit dem Auftrag betraut wurde, die germanischen Geschichte zu erforschen, was an sich nur heißen konnte, historische Tatsachen zu verfälschen. Die Titel der zwischen 1933 und 1944 erschienenen Jahrbücher lassen allerdings keinen vertiefteren Hang zur Nazifizierung erkennen. 1947 wurde der Verein dann quasi wiedergegründet, um bis heute mit einem äußerst breiten Spektrum, zwischen der Landes,- Stadt,- Politik-, Kirchen-, Mühlen-, Musik-, Bergwerks-, Brunnen-, Bau-, Fest- und Theatergeschichte etc. etc., mit den auch außerhalb des Jahrbuchs publizierten Buchveröffentlichungen die Geschichtsfreunde zu erfreuen. Damit nicht genug: der Verein betreibt ein archäologisches Museum, das im Italienischen Bau des Bayreuther Neuen Schloss residiert (kleiner Tipp: der Kulturfreund sollte es schon aufgrund der herausragenden Raumausstattungen des Obergeschosses besuchen) und – neben der Außenstelle der Archäologischen Staatssammlung in Forchheim – das einzige in Oberfranken befindliche Spezialmuseum für vor- und frühgeschichtliche Funde ist; Schwerpunkte: Fränkische Schweiz und Bayreuther Umland. Während die Vereins-Bibliothek in der Universitätsbibliothek verwahrt wird, kann man im Bayreuther Stadtarchiv die ungedruckten Dokumente und Archivalien des Historischen Vereins einsehen – damit noch immer nicht genug: Der Verein verfügt auch über eine graphische Sammlung, eine Landkarten- und eine Münzsammlung. „Seit seiner Gründung“, heißt es auf der Homepage, „ist es der Zweck des Vereins, die Geschichte Oberfrankens wissenschaftlich zu erforschen, das Interesse breiter Kreise der Bevölkerung dafür zu wecken, das Geschichtsbewusstsein zu pflegen, die kulturelle Überlieferung zu bewahren und den Heimatgedanken zu vertiefen. Wir wollen Menschen zusammenführen, die sich für die oberfränkische Geschichte interessieren.“ Schüleraktionen im Archäologische Museum bieten „Archäologie zum Anfassen“.
Das Veranstaltungsprogramm ermöglicht auch den „niederschwelligen Einstieg in die Regionalgeschichte“, z.B. mit Familienführungen im Neuen Schloss auf den Spuren der Markgräfin Wilhelmine, oder in den unterirdischen Kasematten der Plassenburg. Nein, der Historische Verein für Oberfranken ist kein Privatclub für Nostalgiker, sondern ein im Sinne der Aufklärung agierender, lebens- und menschennaher Kulturverein, in dem sowohl der einstige Todesstreifen als auch „Teufelsapfel und Gottesgeschenk“ beleuchtet werden. So jedenfalls heißt der Vortrag, den Adrian Roßner, Autor des Kulturbriefs, am 28. April im Vortragsraum der VHS Pegnitz halten wird, wo er uns mitteilen wird, dass es nicht der Preußenkönig Friedrich II., sondern der Pilgramsreuther Bauer Hans Rogler war, der den Kartoffelanbau in den deutschen Landen einführte.
Sage keiner, dass sog. alte Geschichten nicht immer wieder neu wären!