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Eine Fantasie: Als Goethe Jean Paul in der Fränkischen traf

Das neue BuchEine Fantasie: Als Goethe Jean Paul in der Fränkischen traf

Johannes Kirchners "Zoolithenhöhle"

Im Fremdenbuch des Gasthofs „Zum goldenen Stern“ in Muggendorf, also in der Fränkischen Schweiz, findet sich ein rätselhafter Eintrag: „Geheimer Rath von Goethe aus Weimar | Jean Paull Fr. Richter aus Baireuth.“ Das Ganze ist undatiert, doch von örtlichen Touristikern wird behauptet, dass die Doppel-Eintragung, der man bis vor Kurzem auf den berühmten Leim ging, nicht vor 1822 erfolgt sein könne. „Sollten“, so fragt man in der Region, „Goethe und Jean Paul am Ende ihres Lebens wirklich eine gemeinsame Reise in die Fränkische Schweiz unternommen haben?“ Die Antwort ist klar: „Kaum. Goethe besaß zwar einen Eisbärenschädel aus einer der Muggendorfer Höhlen, doch war er sicher nie vor Ort. Seine Unterschrift ist eindeutig gefälscht.“

Kein Grund, sich nicht über die Fantasie so seine fantastischen Gedanken zu machen. Johannes Karl August Kirchner, Verfasser mehrerer Lehrbücher für Röntgendiagnostik und Frankenfreund, hat es gemacht. „Die Zoolithenhöhle“ heißt das Werkchen, das der Autor mit Extrablättern und, im Stil von Simmels „Es muss nicht immer Kaviar sein“, mit Kochrezepten versah, die, fast wie bei Jean Paul, die Geschichte vor Allem deshalb ergänzen, um die „überaus unwichtige Handlung“, wie der Erzähler sagt, einzufärben. Denn erzählt wird wenig Erschütterndes: da treffen sich der Geheim- und der Legationsrat in der Gegend, um die besagte Höhle aufzusuchen und einem jungen Paar, einer Komtesse und dem Höhlenforscher Johann Friedrich Esper, zum Glück zu verhelfen. Nun ist der historische Esper schon 1732 auf die Welt gekommen und 1781 auf die Welt gekommen; der Esper des Buchs muss infolgedessen ein Verwandter – oder ein Geist sein, aber „Die Zoolithenhöhle“ ist nicht E.T.A. Hoffmanns „Ritter Gluck“. Gleichviel: die Geschichte gewinnt ihren Reiz weniger aus der Handlung als aus der Sprache, die sich freilich manieristisch, doch nicht so stilsicher wie Jean Pauls Prosa, durch die hochdeutsch-fränkische Landschaft schlängelt. Da geht’s nicht ohne erstaunlich viele Kasusschwächen und gewundene Formulierungen ab. Würde man alle Kommata sammeln, die dem Autor unterwegs verloren gingen, hätte man zu tun. Kirchner nannte seine Erzählung ein „burleskes Plagiat“. Keine schlechte Bezeichnung für ein Cappriccio, das die härtesten Jeanpaulianer an einem längeren Nachmittag hinter sich zu bringen vermögen.

Johannes K. A. Kirchner: Die Zoolithenhöhle. Ein burleskes Plagiat. Königshausen & Neumann, 2023. Mit 15 Zeichnungen. 16,80 Euro.

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