Der Pianist Adam Dvořáček bei Steingraeber
„Was ist denn eigentlich die Jugend?“ Josef von Eichendorff hat einst diese Frage gestellt, um sie sogleich zu beantworten: „Doch im Grunde nichts anderes, als das noch gesunde und unzerknitterte, vom kleinlichen Treiben der Welt noch unberührte Gefühl der ursprünglichen Freiheit und der Unendlichkeit der Lebensaufgabe.“ Wenn der junge Adam Dvořáček ein Programm mit dem Allegro-Kopfsatz von Beethovens op. 10/3 beginnt, stürmt er schon einmal vorwärts. Das alles ist frisch, drängend und „jugendlich“ – doch wenn er später in Janáčeks Auf verwachsenem Pfade die durchaus nicht geheimen Melancholien entdeckt, die den mährischen Meister von Zeit zu Zeit befielen, haben wir es mit Kontrasten zu tun, die (fast) alle gute Musik auszuzeichnen pflegt.
Der Titel des Abends lautet: Beethoven verbindet. Abgesehen davon, dass Beethoven mehrmals Böhmen bereiste und engste Beziehungen zu böhmischen Künstlern und Gönnern hatte, dürften sich die anderen Komponisten im Urteil über ihn klar gewesen sein. Noch in Janáčeks frühen Werken wird der Einfluss Beethovens spürbar, der auch den Künstler des Abends zu inspirieren scheint. Ein junger Tscheche in einem bis zum allerletzten Stuhl verkauften Konzert in Steingraebers Kammermusiksaal, veranstaltet von der Deutsch-Tschechischen Gesellschaft Bayreuth: das ist nicht „sensationell“, aber sehr sehr gut. Denn Dvořáček weiß, als Urururenkelschüler Franz Liszts, was wahre Musik ist: Poesie und Handwerk. Die linke Hand weiß stets, was die rechte tut. Er spielt, obwohl so etwas ja nicht messbar ist, immer im richtigen Tempo. Die Noten kommen genau so schnell wie nötig, um sie noch unterscheidbar zu machen: auch in den schnellsten virtuosen Passagen des Beethovensatzes und den Prestoabschnitten in Schumanns Symphonischen Etüden op. 13, die er dem Publikum in der Erstfassung von 1837 (mit 12 Stücken) präsentiert. Und so, wie er hier einzelne Charaktere spielt, spielt er im Janáček-Zyklus Stimmungen heraus, die die Frage aufwerfen, ob man sie nicht auch dann herausinterpretieren könnte, wenn man die Titel der einzelnen Sätze nicht vor Augen hätte; Es stockt das Wort oder Das Käuzchen ist nicht fortgeflogen ist ja nichts, was einem sofort einfallen würde, wenn man die Musik des Mähren ohne literarische Vorkenntnisse hört. Dvořáčeks Prinzip ist das der Deutlichkeit – bei größtmöglicher Dezenz der Mittel; die technische Qualifikation steht ihm ja zu Gebote. Bleibt in der Mitte, zwischen Janáček und Schumann, eine etwa viertelstündige Novität, die so klingt, als sei sie vor 80 Jahren komponiert worden. František Loder schrieb eine erste, mit Glockenschlägen endende Sonate, der er einen Namen gab: Claudia. Wir müssen uns die vermutlich junge Frau als dunkel grollende und hell quirlende, mit zarten Dissonanzen agierende, etwas unstete Person vorstellen, die auf engstem Raum sehr verschiedene Verhaltensweisen und Mentalitäten aufweist; der Komponist, 24 Jahre jung, wird es genauer wissen.
Starker Beifall für einen kurzweilig erfüllten, sozusagen unzerknitterten Abend.
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