Seine Oper Pélleas et Mélisande, eines der Meisterwerke des Musiktheaters des 20. Jahrhunderts, wird gerne als „Anti-Tristan“ bezeichnet. Vielleicht schrieb er sie auch deshalb, um zu beweisen, dass man Wagner verstanden haben muss, um ihn zu überwinden. „Ich fühle mich nicht versucht“, schrieb er, „das nachzuahmen, was ich an Wagner bewundere. Ich habe eine andere Vorstellung von der dramatischen Form: die Musik beginnt da, wo das Wort unfähig ist, auszudrücken; Musik wird für das Unaussprechliche geschrieben; ich möchte sie wirken lassen, als ob sie aus dem Schatten herausträte und von Zeit zu Zeit wieder dahin zurückkehrte“. 1888 und 1889 besucht er, 26 Jahre alt, die Festspiele, wo er den Parsifal, den Tristan und die Meistersinger von Nürnberg sieht. Er wohnt am heutigen Luitpoldplatz 17, bei der Bierbrauerswitwe Dorothea Kolb, dann beim Bäckermeister und Bierbrauer Ernst Kolb, gleich rechts vom Reitzensteinpalais. Debussy konnte sich im Haus mit Essen und Getränken versorgen, doch richtig hungrig war er auf die Musik der Moderne, der er mit dem ab 1892 entstehenden Prélude à l‘après-midi d‘un faune und der im selben Jahr begonnenen Oper sein Siegel aufdrücken wird. Als „Monsieur Croche“ machte er sich über Wagner und dessen Technik der Erinnerungsmotive lustig; als Besucher der Festspiele wusste er, was seine Generation dem alten Zauberer zu verdanken hatte. Insbesondere Parsifal und Tristan begeisterten den jungen Mann, der die tristaneske Kunst der feinsten Übergänge und des parsifalschen sfumato noch einmal steigern sollte – und sich doch aus Wagners Fängen befreite.