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Freitag, 19. April 24

Und trotzdem

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Silent Landscapes – im Stillen laut

AusstellungenSilent Landscapes – im Stillen laut

„Bitte nicht berühren“ – dies fällt bei Betty Beiers Erdschollen besonders schwer. 100x100x5-20 cm messen die dreidimensionalen Bildskulpturen. Ein Quadratmeter der Erde, ein Quadratmeter, der wegen seiner Geschichte als Abdruck festgehalten wurde. Eine Geschichte der Vergänglichkeit. Die zukünftige Vergänglichkeit, wie beim Schneeferner. Als Beier diesen Quadratmeter Gletscher in den Bayerischen Alpen künstlerisch verewigte, war seine Vergänglichkeit vorgezeichnet. Er schmolz. Oder die vollzogene Vergänglichkeit der Erdscholle aus Paraguay. Diese dokumentiert das, was nicht mehr da war, als der Quadratmeter Erde zur Erdscholle wurde. Durch illegale Brandrodung hält die Bildskulptur fest, was durch menschlichen Eingriff unwiederbringlich ist. Oder aus Island, China, Alaska, Brasilien, Hamburg – demnächst auch von der Frankenalb in der Fränkischen Schweiz..

So wie die Ästhetik der Erdschollen berührt, so ergreifend sind die Geschichten dahinter. Bedrückend wird sichtbar gemacht, was wir längst wissen. Wir verändern die Welt. Weltweit. Klimawandel, illegale Brandrodung, Hafenerweiterung, Staudammbau. Alles von Beier in Kunstharz oder Acryl festgehalten. 

Erfrischenderweise wird der Wissensdurst gelöscht. Fundort der Abnahme und Datum sind minutiös festgehalten. Die Geschichte dahinter kann auf Internetseiten per QR-Code noch in der Ausstellung erkundet werden. Das „Gefährt“, mit dem Beier zu den Fundorten kommt, ist ebenso Teil der Ausstellung wie Zeichnungen und Fotografien. 

Nun könnte man die Ausstellung verlassen und „Was kann denn eine Ausstellung…“ seufzen. Aber „Mind the gap“! Diese Ausstellung kann mehr. In einem Zeitalter, in dem der Mensch der wichtigste Einflussfaktor auf geologische, atmosphärische und biologische Prozesse geworden ist, wurden Wege gesucht, diesen Einflussfaktor zu begeistern. Inspiration gab das vor 500 Jahren gemalte Aquarell „Das große Rasenstück“ von Albrecht Dürer, auf dem sich Pflanzenarten des fränkischen Wiesenstücks identifizieren lassen. Auf den Spuren Dürers und anhand von naturwissenschaftlichen Experimenten zur Rolle von Biodiversität für die nachhaltige Nutzung von Grünland sollen Kunstwerke aus Oberfranken zum Thema Artenschwund und Biopiraterie entstehen. Dafür wurde die Zusammenarbeit von Menschen aus Wissenschaft, Kunst und Medien in Zusammenarbeit mit Jugendlichen gewagt und heraus kam das Projekt: „Mind the gap! Wissenschaft und Kunst zu Artenschwund in Franken.“ Hierbei werden aktuelle, lokale Herausforderungen des Artenschwunds mit den globalen Erkenntnissen der Biodiversitätsforschung verbunden und in Franken verortet.  So führt Anke Jentsch, Biologin, Professur für Störungsökologie, Universität Bayreuth, unter anderem Bildungsaktionen mit Jugendlichen, Gletscher-Exkursionen, Gelände-Expeditionen zu Biodiversitätsforschung und Klimawandel durch. Und eine weitere Erdscholle wird entstehen – aus dem Fichtelgebirge. Eine weitere (öko)politische Skulptur, die nicht mit dem mahnenden Zeigefinger daherkommt, die nicht laut schreit und anklagt, sondern auf besondere Weise wachrüttelt. Beier sagt: „Böden sind Archive, die vom Einwirken der Menschen zeugen.“ Und macht daraus gesellschaftsverändernde Kunst. Durch die Konservierung des Erinnerungspotenzials der Erde, Silent Landscapes, die im Stillen laut sind.

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