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Näher an den Schmuck heran kommen

Bildende KunstNäher an den Schmuck heran kommen

Ein Gespräch mit der Künstlerin Melanie Nützel

„Ich versuch‘s, aber ich schaff‘s nicht“, sagt sie und verweist auf ihre Arbeiten. Man kennt sie meistens als Inhaberin eines Schmuckgeschäfts in der Sophienstraße, es trägt – buchstäblich – den Namen „Tragwerk“, aber darum soll es heute nicht gehen. Melanie Nützel, ein oberfränkisches Gewächs – Untersteinach, so heißt das Grab ihrer Jugend –, das zunächst nach Hildesheim ging, um an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst das Schmiede- und Schmuck-Hand-Werk zu lernen, Melanie Nützel also arbeitet in einer Kunst, die für viele Kunstfreunde vielleicht eher Gewerbe (nichts gegen „Kunstgewerbe!) als ars innovativa ist. Wer sich ihre fragilen Arbeiten genauer anschaut, bekommt eine Ahnung davon, wie es im Kopf einer Künstlerin aussehen mag, die mit Formen zu schaffen hat, die seit der Antike bestehen und variiert werden. Wo ist da der Spiel-Raum? „Ich versuch‘s, aber ich schaff‘s nicht“, sagt sie, aber sie übertreibt. Würde man in ihren Broschen, Ringen und Anhängern ein verbindendes Element suchen, würde man es finden, obwohl sich, den Eindruck habe zumindest ich zunächst, die einzelnen Werkgruppen auf den ersten Blick stark unterscheiden. Ins Auge fallen, was angesichts der (scheinbaren?) Exzentrizität nicht verwundert, all die Käfer, deren Zahl inzwischen bei 400 liegt. Käfer als Thema eines Schmuckstücks? Wer sich dem Oberthema „Tiere in Bewegung“ verschrieben hat, wird die Wahl des Insekts gar nicht mehr so ausgefallen finden, obwohl die Schmuckstücke deutlich auffallen – aber handelt es sich überhaupt um Käfer? Ist nicht jedes Einzelstück der Versuch, dem Naturwesen etwas abzugewinnen, was nicht Natur, sondern eben Kunst ist – ein Spiel mit Farben, Oberflächen, und, dies vor allem (sagt sie), mit Materialien, die es zu erforschen, zu testen und experimentell zu bearbeiten gilt? Ich denke an jene Flügeltierchen, die sich in herrlich schillernde Falter verwandeln können – und ist nicht der Weg von Schmuckstück zu Schmuckstück ein Weg der beständigen Metamorphose? Wusste sie, sagt sie, zunächst nicht, was sie „eigentlich“ machen sollte mit dem gelernten Hand-Werk, entstanden die Gestalten aus Improvisationen heraus, und so arbeitet sie heute noch: frei von den Konventionen, die ihr der Schmuckmarkt vorschreiben könnte, gleichsam planlos.

Atelier Melanie Nützel in der Sophienstraße in Bayreuth


Denn was die Künstlerin mit Blech, Draht und Email, mit Sandgüssen – die eine an natürlichste Oberflächen erinnernde Außenseite aufweisen – und Eisen („Eisen lockt mich“, sagt sie) herzustellen vermag, sind Variationen über ein nicht beendbares Thema. Sie nennt‘s: Näher an den Schmuck heran kommen. Wo sich das Material, die grün schillernden, mal stumpferen, mal glatten, mal designerhaft wirkenden, mal raffiniert vergröberten Panzer der Tiere (die keine sind) und die unregelmäßigen Rundungen der Goldringe von den herkömmlichen Formen befreien, werden tatsächlich Ideen verwirklicht, von denen Melanie Nützel kaum ahnt, dass sie sie schon gegossen, punziert, getrieben und gehärtet hat. Die Frage, was Kunst sei, ist bekanntlich nur mit den Werken selbst beantwortbar. Die Frage: „Was ist Schmuck?“ bzw. „Was ist Schmuck-Kunst?“ bekommt man reflektiert, wenn man sich die mehr oder weniger schimmernden Kleinobjekte mit ihren textilnahen Oberflächen genauer anschaut. „Ich versuch‘s, aber ich schaff‘s nicht“? Schon die Tatsache, dass ihre „Käfer“ sich längst von den naturgetreu sein wollenden Käferbroschen ihrer Kollegen emanzipiert haben, zeigt an, dass sie die eigene Handschrift gefunden hat, um die es letzten Endes geht, wenn man nicht Kunsthandwerk, sondern Kunst machen muss – zumindest für den Augenblick. Denn alles im Leben ist Verwandlung – bei Melanie Nützel, ihre Ringe, Broschen und Anhänger betrachtend, sehen wir es in aller Vieldeutigkeit: in Form von Objekten, die auf etwas verweisen, das im realen Leben stetig die Gestalt tauscht (das Insekt, die Paarbeziehung, die Ansicht von dem, was einem Menschen tragbar scheint) und als vielfache Veränderungen eines künstlerisch gestalteten Themas, um es mal akademisch auszudrücken. Der Rest ist nicht Schweigen, sondern kann, als Kunst am Körper, vor allem dann leicht getragen werden, wenn man – und Frau – es ernst meint mit dem Schmuck.

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