In gewissem Sinn ist die neue Ausgabe des Kulturbriefs aus Bayreuth, den Umständen entsprechend, eine Sonderausgabe. Wir mussten nicht lange suchen, um die Ukraine in den verschiedensten Bereichen zu entdecken: in der Reihe Das neue Album widmen wir uns einem Bayreuther Konzert des Ukrainischen Jugendsinfonieorchesters, das Gute Buch bietet seelische Hilfestellungen, die Bibliothek, die wir besucht haben, ist das Ergebnis von Vertreibungen, die den Bogen vom 2. Weltkrieg zur Gegenwart schlagen, wir gehen in eine ukrainische Küche, und der Musiker, der hier war, ist ein Mann aus einer jener Städte, die gerade angegriffen und beschossen werden. Man könnte nun fragen, welchen Stellenwert die friedliche Kultur in diesen Zeiten noch hat.
Die Antwort ist einfach: Sie zeigt uns, dass sie das einzige Mittel ist, um weltweit miteinander auszukommen. Kultur ist kein Luxus, sondern die Essenz, die das und die Leben nicht allein reicher macht. Sie ist, zusammen mit den nötigen Verwandtschafts- und Liebesbeziehungen, genau jenes völkerverbindende Element, das, über Sprach-, Mentalitäts- und Systemgrenzen hinweg, den Frieden nicht allein symbolisiert, sondern ist: in der Musik, der Sprache, auch der Kulinarik.
Nein, ein Konzert verhindert keinen Krieg, aber es vermag uns, wenn‘s glückt, dafür zu sensibilisieren, dass Konflikte dort keine Kraft mehr haben, sich zu Kriegen zu entwickeln, wo gespielt, geschrieben, geredet – und gut gegessen wird. Nicht allein in Osteuropa, auch bei uns, den befreundeten Russen, Chinesen, Franzosen, Amerikanern und allen anderen Nationen, die uns so etwas Luxuriöses und Selbstverständliches wie Bücher, Kompositionen, Gemälde und sonstige Spielarten der Zivilisation hinterließen.