Booster – so hieß tatsächlich eine Ausstellung, die 2018 in Bayreuth stattfand. Genau genommen handelte es sich um eine Doppelausstellung der Künstler Dilara Akbaba und Julian Wesner: eine Sonderaustellung der Reihe „Junge Kunst“. Veranstaltet wurde sie von einem Verein, der 2020 sein 40. Jubiläum feiern konnte, sich jedoch als Nachfolgeorganisation einer weit älteren Institution versteht: der Freien Gruppe. 1951 hatten sich in Bayreuth Vertreter der hiesigen Moderne zusammengefunden, um unter einem gemeinsamen Dach durchaus verschiedene Künstler locker vereinsmäßig – zu vereinen. Aber lassen sich Individualitäten überhaupt vereinen? Widerspricht nicht – die Geschichte der Zerwürfnisse und Abspaltungen von berühmten Künstlergruppen mag es bezeugen – ein Verein dem Gedanken der Kunst? Was also zeichnet den Bayreuther Kunstverein e. V. aus?
„Der Kunstverein zur Förderung der bildenden Kunst – Universität Bayreuth e. V.“, so heißt es im Programm des Vereins, „hat es sich als Ziel gesetzt, Interesse an Kultur und Kunst nicht nur zu wecken, sondern auch zu fördern. In Ausstellungen und Veranstaltungen stellt der Kunstverein unterschiedliche Positionen zeitgenössischer Kunst zur Diskussion. Dabei werden aktuelle Strömungen der Kunst widergespiegelt.“ Wer also vermutet, dass ein lokaler Kunstverein nur darin gut ist, die eigenen Mitglieder zu alimentieren, irrt. Es genügt schon, sich einige der „kleineren“ Ausstellungen im Kunstkabinett des Alten Rathauses, also im Domizil des Kunstmuseums Bayreuth, anzuschauen, um eines Besseren belehrt zu werden. Zugegeben: die sog. großen Namen mögen selten sein, aber darauf kommt‘s nicht an, denn in den Monatsausstellungen zeigen sich immer wieder Talente und Altmeister am Werk, die für die Kunstwelt da draußen einstehen können.
Die Bayreuther Kunstvereinsmitglieder haben indes die Möglichkeit, für die alljährlich im Sommer stattfindenden Kunstausstellungen im Neuen Schloss der Eremitage ihre Werke einzureichen. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, sich mit den Seinen und Ihren zu sammeln, wenn zu Weihnachten zur Weihnachtsausstellung im Alten Schloss geblasen wird – eine Verkaufsausstellung, keine Leistungsschau. Hier geht‘s nicht um den Wettbewerb, aber man darf doch die Entwicklungen beobachten, die manch Künstler in den letzten Jahren an sich selbst erfahren hat. Ansonsten bieten die Kuratierten in der Eremitage tatsächlich, im Bayreuther Rahmen, einen Querschnitt des Gewohnten und Ungewöhnlicheren auf: die traditionelle Landschaftsmalerei ist ebenso vertreten wie die des gebrochenen Blicks, das Stilleben hängt neben dem Porträt, Abstraktion, Surrealismus, Symbolismus, Realismus: alles ist da, kaum etwas fehlt. Auch die skulpturale Kunst ist vertreten, wenn auch in der Minderheit. Schaut der Kunstverein auf die Junge Kunst („Der Bereich Junge Kunst verfolgt seit 2007 das Ziel, als Plattform für junge Künstler zu agieren, auch um deren zeitgemäße Sprache – unter der Nutzung neuer Medien – in Bayreuth zu präsentieren“), so fällt auf, dass Abstraktion hier immer noch relativ fremd zu sein scheint.
Apropos Domizil: Hat der Kunstverein heute eine Heimstatt im Kunstmuseum gefunden, konnte man ihn ab 1995 im Domizil in der Richard-Wagner-Str. 53 finden. Die erste Ausstellung fand im Februar 1982 im Alten Schloss statt, 2009 gastierte man in der Schokofabrik, 2013 im Gewächshauskomplex des Botanischen Gartens, auch im Bibliothekssaal der Regierung von Oberfranken. Ausstellungen in der großen Halle im Neuen Rathaus sind Usus. 2016 bespielte der Verein sogar einen von Roland Schön entworfenen Pavillon auf der Landesgartenschau namens Cosmos, der von 13 Künstlern jeweils 2 Wochen genutzt werden konnte – als wär‘s ein Stück der Biennale, zu der man gelegentlich gruppenreist. Der Bayreuther Kunstfreund wünscht sich mehr von diesen Kooperationen, wie sie 2013 mit Schülern der Kunsthochschulen Nürnberg und Dresden realisiert wurden. Wer einige Mitglieder, unter ihnen Lucie Kazda, eine Preisträgerin des vom Kunstvereins gestifteten Bayreuther Kunstpreises, an der Arbeit bzw. Staffelei sehen will, hat seit 2020 die Möglichkeit, sie in der Kunstetage in der ehemaligen Markgrafenkaserne im Industriegebiet, in Nachfolge der früheren Ateliers am Röhrensee, zu besuchen – und hoffentlich bald wieder eine Gemeinschaftsausstellung der Künstler am selben Ort zu bewundern.
Bayreuth mag in Sachen Gegenwartskunst nicht der Nabel der Welt sein – aber wer mit Hilfe des Kunstvereins die Ausstellungen der Hiesigen besucht, wird Entdeckungen machen, die ihm, wenn‘s glückt, für ein paar kostbare Momente die Welt sein werden.