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Kultur ist geistige Nahrung – Ein Gespräch mit den Solisten Johannes Martin Kränzle und Michael Volle

Bayreuther FestspieleKultur ist geistige Nahrung - Ein Gespräch mit den Solisten Johannes Martin Kränzle und Michael Volle

Das Dream Team gibt es nicht nur im Basketball. Wenn man Johannes Martin Kränzle und Michael Volle miteinander erlebt, ob auf der großen Bühne in den Meistersingern oder im Interview in der Buchhandlung, die beiden ergänzen sich wie ehemals Michael Jordan und Magic Johnson. Wir haben das Dream-Team zu einem gemeinsamen Gespräch eingeladen, um über den Kulturbegriff zu sprechen. Und schnell merken wir, wie überkandidelt dieses Wort ist – Kulturbegriff. Dabei ist es ganz einfach: „Kultur unterscheidet uns von den Tieren“, definiert Michael Volle. Kultur als geistige Nahrung, die – gleich in welchem Alter – das Unentbehrliche ist, um die Gesellschaft zu formen. Und ein Bereich der geistigen Nahrung ist der Gesang. „Gesang ist eine Grundlage der Kultur“, ist Martin Kränzle überzeugt. Und Volle pflichtet ihm bei. Leider sei das Singen aus der Gesellschaft verschwunden. „Zu Weihnachten wurde kein Geschenk ausgepackt, ohne vorher zwanzig Choräle und zehn Sonaten vorgesungen zu haben“, erzählt er lachend. „Und das bei acht Geschwistern!“ Bei Johannes Martin Kränzle war es ähnlich. „Meine Mutter war Musiklehrerin, da war Gesang an der Tagesordnung.“ Hier wurde das Fundament gelegt für die Karrieren als Solisten, die auf der ganzen Welt gefragt und gebucht sind. Die beiden sind sich einig: Kulturelle Grundbildung liegt erst einmal zuhause bei den Eltern. Dann folgt die Bildung in der Schule. „Leider sind die Lehrpläne völlig verkopft. Und es hängt immer an einzelnen Lehrern“, meint Volle. Dabei führten schon kleine Initiativen bei manch einem zu einem Aha-Erlebnis. „Wie bei meiner Frau“, erzählt Kränzle. „Sie hat einmal als Kind einen Chor gehört und sich dann sofort selbstständig im Chor angemeldet. Die Noten wurden vom Taschengeld bezahlt.“ Inzwischen ist Frau Kränzle Professorin für Gesang. Und das ist eben das Allerwichtigste: dass jeder alles erreichen kann, wenn der zündende Funke überspringt. Deshalb muss der Zugang zur Kultur, speziell zum Gesang, wieder vereinfacht werden.

Apropos Singen und Spielen: Es ist durchaus kein Widerspruch, wenn sie beide, Volle und sein guter Freund, zusammen in einer New Yorker Meistersinger-Aufführung stehen, die, anders als die Arbeit von Barrie Kosky, traditionell ist. „Sie muss nur gut gearbeitet sein. Und Otto Schenks Regie war wirklich sehr detailreich – das macht wahnsinnig Laune“, sagt der nächste New Yorker Sachs. Auch in Bayreuth spüren sie kein Gängelband. Im Gegenteil: „Kosky hat uns gesagt: Macht, was ihr tun könnt, dann können wir einiges weglassen. Nur: er wollte nichts davon weglassen…“. Gestrichen wurden in diesem Jahr allerdings Wagners Hunde Marke und Molly. Kränzle lacht und bedauert es nicht: „Immer, wenn ich das Kostüm anhatte und das Tier mich abgeleckt hat, habe ich den ganzen Abend wie ein feuchter Hund gerochen.“

Was es sonst noch außer Wagner gibt, ist so verschieden wie bereichernd: Kränzle wird in der Festspielzeit zwischen Bayreuth und Salzburg hin- und herpendeln, weil dort, mit ihm als Don Alfonso, die Così des letzten Jahres wiederaufgenommen wird, und Volle, der am 16. August einen Liederabend in Wahnfried geben wird, schwärmt vom Freischütz-Film, den er vor einiger Zeit mit wunderbaren Kollegen – dem Franz Grundheber (er imitiert ihn köstlich und basstief), der Juliane Banse – in der Sächsischen Schweiz drehen konnte. Die Musik in den berühmten Abbey Road Studios, in denen die Beatles gearbeitet haben, war sowieso Klasse: „Ich bin da“, sagt Volle, „zehnmal über den Zebrastreifen gelaufen“. Dann, abschließend, haben wir uns noch eine ganz besonders kluge Frage ausgedacht – wie lange die beiden wohl noch singen werden? Tatsächlich bekommen wir eine Antwort: „Besser man sagt: Schade, dass er weg ist, als das man sagt: Gott sei Dank!“, überlegt Volle. „Das sind Gedanken, die sich die älteren Kollegen machen müssen“, ergänzt Kränzle und beide lachen. „Während du Gesangskurse gibst, sing ich ja noch – in Castrop-Rauxel. Den Kaspar!“, feixt Volle. Und damit ist das Thema erledigt. Denn jetzt kommen die Festspiele und anschließend geht es nach New York. Warum sie sich beide wieder mit den beiden Rollen, die untrennbar zusammengehören, auf einer Bühne wiederfinden? „Ich mach‘s nur, wenn Kränzle den Beckmesser singt!“, das war, so Volle, die Forderung. Das Dream-Team bleibt uns also noch eine Weile erhalten. Und New York ist immer eine Reise wert.

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