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Goethische Wollsackverwitterung

HeimatlichesGoethische Wollsackverwitterung

Wer als Wanderer durch das Fichtelgebirge reist, sieht an manchen Orten einen allzu bekannten Namen aufflackern. Oftmals sind die Buchstaben, die man vor über 200 Jahren in den Felsen ritzte, bereits stark verwittert oder von der üppigen Vegetation überwuchert, doch bilden sie dennoch unverkennbar das Wort GOETHE. Tatsächlich weilte das Universalgenie insgesamt dreimal in der Fichtelgebirgsregion, was die Bewohner dazu trieb, seine Wirkungs- und Wohnstätten in den nachfolgenden Jahrzehnten durch Inschriften und Hinweistafeln zu markieren. Was aber führte ihn, den Schöpfer des deutschen Nationalepos Faust, in das granitene Hufeisen? 

Nun, es war das Urmenschliche: Wenn Goethe „seinen“ Doktor als von der Neugierde und dem Wissensdurst Getriebenen darstellt, der trotz des Studiums aller möglichen Wissenschaften noch immer keinen blassen Dunst von der Antwort auf jene alles umfassende Frage hatte, zeichnet er damit auch das Menschengeschlecht an sich. Wir alle haben etwas Faustisches in uns, das in manchen Situationen über die Vernunft obsiegt und uns dazu antreibt, immer wieder Neues entdecken zu wollen. Es darf vermutet werden, dass Goethe sich auch selbst in seinem Faust erkannte, da er, der große Literat, ebenfalls auf unzähligen akademischen Gebieten bewandert war und sich neben der Arbeit an seinen Monumentalwerken auch mit der Geologie und Botanik beschäftigte. 

Forschungen auf eben diesen Gebieten brachten ihn, den Fragenden, 1785 nach Nordostoberfranken. Eigentlich war er auf dem Weg vom heimischen Weimar ins böhmische Karlsbad, bog zum
30. Juni jedoch in Hof nach Süden ab und reiste über Marktleuthen nach Wunsiedel, wo er für einige Tage verweilte. Seine Zeit im Fichtelgebirge nutzte er allerdings nicht zur Entspannung, sondern für ausgiebige Forschungen auf dem Gebiet der Geologie, wobei ihn vor allem die seltsam anmutenden Granittürme faszinierten. Die sogenannte „Wollsackverwitterung“ findet sich an vielen Stellen des Gebirges und ist, wie man zwischenzeitlich herausgefunden hat, vulkanischen Ursprungs. Zu Goethes Zeiten stellten die scheinbar aufeinander gestapelten Matratzen aber noch ein großes Mysterium dar, dessen sich der Meister nur allzu gerne annahm. Nach Abstechern zum „Zechenhaus“, dem heutigen Seehaus, und zur Luxburg, die mittlerweile den Namen der Preußenkönigin Luise führt, entschwand er am 4. Juli nach Karlsbad. 

71jährig kehrte er 1820 am 25. April zum zweiten Mal in das granitene Hufeisen zurück, blieb jedoch nur gut zwei Tage in Bad Alexandersbad, ehe er am 26. erneut nach Karlsbad weiterreiste. Den kurzen Zwischenstopp nutzte er für eine erneute Besichtigung der Luisenburg, deren schroffe Felsen und weit ausladenden Granitmeere die Wunsiedler Bürger zwischenzeitlich touristisch erschlossen hatten. Insofern hat Goethe beides, die ursprüngliche Form und das daraus entstandene „Felsenlabyrinth“ besucht; eine – wenngleich nur konstruierte – spannende Verbindung! Immerhin symbolisiert der Irrgang mit seinen unüberschaubaren Wegen und den spontanen Richtungswechseln, die den Suchenden vom eigentlich anvisierten Zentrum fern halten, auch par excellence eben jenes niemals endende Streben, das Goethe als das „Urmenschliche“ anerkannte. Allzu erfreut zeigte er sich demnach, dass das wirre Naturgebilde, das er bei seinem Besuch „mühsam durchkrochen“ hatte nun „durch architektonische Gartenkunst spazierbar“ gemacht worden war. 

Vor 200 Jahren, am 13. August 1822, kam Goethe ein letztes Mal ins Fichtelgebirge. Gut eine Woche lang blieb er damals, um sich die neuartige Chemische Fabrik des Wolfgang Kaspar Fikentscher zu besehen und die Quecksilberherstellung zu bewundern. Auch die Glasfabrik bei Brand, wo für die damalige Zeit mit modernster Technik gigantische Fensterplatten produziert wurden, faszinierten den Gelehrten, der letztendlich auch selbst aktiv wurde und einige Versuche durchführte. Goethe, jener Große, hat demnach unsere Heimat als eben das Mysterium erkannt, das sie in manchen Teilen bis heute darstellt, andererseits aber auch verstanden, dass bei allem Streben, bei aller Jagd nach Erkenntnis, der Genuss der ganz einfachen, alltäglichen Dinge nicht zu kurz kommen darf. So „ergötzte“ er sich auch oftmals „auf diesen herrlichen Granitmassen“ und besah sich  das „abendlich[e] Bischofsgrün“.

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