Ein Reise-Briefroman von William Beckford.
Lesung im Theaterkeller
Erstmals liegt Beckfords Buch „Dreams“ aus dem 18. Jahrhundert in deutscher Sprache vor – übertragen und kommentiert wurde es von DR. WOLFRAM BENDA. In persönlich gehaltenem Rahmen erläutert der Fachmann die geschichtlichen, kunsthistorischen und literarischen Zusammenhänge.
Von Schauspieler und Sprecher KLAUS MEILE werden ausgewählte spannungsvolle Episoden und besondere Passagen des Buches rezitiert.
Zum Autor:
William Beckford, der Jüngere (1760 – 1844), von Byron als „England´s wealthiest son“ bezeichnet,
war Sohn und Erbe von William Beckford dem Älteren, der durch Zuckerrohrpflanzungen auf Jamaika
zu unermesslichem Reichtum kam; Taufpate des Jungen war der britische Premierminister William Pitt. Im Alter von 10 Jahren wurde er Halbwaise. Seine Erziehung übernahm – neben seiner adeligen Mutter Maria Hamilton – sein Hauslehrer Reverend Dr. John Lettice, der den Jüngling im Sinne der humanistischen Aufklärung prägte. Das sensible Kind war frühzeitig im Französischen perfekt, wurde in Musik, Literatur und Architektur unterwiesen. Für die Förderung des Geschmacks, des Empfindens für die Schönheit in Natur und Kunst sorgte sein weitgereister Zeichenlehrer Cozens und prägte dessen Kunstauffassung im Sinne einer frühromantischen Auffassung.
Der Bildungsweg eines gesellschaftlich anerkannten hochrangigen Gentlemans war ohne die „Grand Tour“, die obligatorische „Kavalierstour“, kaum denkbar: im Juni 1780 trat er in Begleitung seines Tutors Lettice diese Bildungsreise an. Die großen Aufwand mit sich bringende Reise in der Kutsche führte vom heimatlichen Wiltshire (Südwest-England) über den Ärmelkanal durch Flandern nach Deutschland und weiter über die Alpen zum eigentlichen Ziel, Italien – 2000 Kilometer in 6 Wochen. Die Rückkehr nach England erfolgte 1781. Neben Kunstschätzen und Bauwerken galt Beckfords Interesse vor allem den romantischen Landschaften. Während der Reise hielt Beckford die Stationen und seine Eindrücke lediglich stichwortartig fest, was ein einzelnes erhaltenes Notizbuch dokumentiert und benutzte Aufzeichnungen für die ausführliche Niederschrift seines Reisebuches. Geschrieben sind die „Träume, Gedankenspiele & Begebenheiten“ (Original: „Dreams, Waking Thoughts, and Incidents“) als fiktive Briefe an einen nicht genannten Adressaten in England, einen Maler, höchst vermutlich seinen Zeichenlehrer, Alexander Cozens. Im Mai 1782 brach Beckford zu einer zweiten Italienreise auf, die Anlass zur Aufnahme weiterer Briefe bot. Die Route war exakt dieselbe wie zwei Jahre zuvor.
Im April 1783 war das Buch „Dreams, Waking Thoughts, and Incidents“, ausgedruckt und wurde bereits öffentlich annonciert. Doch vor Auslieferung der Auflage (500 Exemplare) gab Beckford dem Druck der Familie nach, welche sich sorgte um ihren Ruf (im Text lassen sich neben satirisch-ironischen Passagen unschwer homo-erotische Anklänge erkennen) und um die für die erhoffte politische Karriere: sie wollte dringend die Veröffentlichung verhindern, und der verzweifelte Autor übergab schließlich nahezu die gesamte Auflage den Flammen. Er behielt nur ganz wenige Exemplare, die er im engsten Freundeskreis verteilte. Heute sind fünf Exemplare erhalten.
Obwohl „Dreams“ unter Kennern und Literaten im 19. Jahrhundert als Geheimtipp galt, folgte erst 1891 die erste öffentliche Ausgabe, und erst die zweibändige Ausgabe des Beckford-Bibliographen Chapman der Travel-Diaries (in London 1928); eine ausführlich kommentierte englische Gesamtausgabe besteht seit 1971. Beckfords Reisebilder stehen erst seit einigen Jahrzehnten im Licht einer literarisch und kunstgeschichtlich interessierten Öffentlichkeit.
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Weitere Informationen:
Allein der Titel „Träume“ lässt bereits den gravierenden Unterschied zur üblichen Reiseliteratur des 18. und des 19. Jahrhunderts erkennen: „Dreams“ ist kein traditionelles oder konventionelles Reisebuch. Kraft seiner exzentrischen, sensiblen und enthusiastischen Erkundung von Orten und Landschaften gelingt es Beckford, seine eigene innere Entwicklung zu beschreiben, ein Bild von sich als außergewöhnlichem Menschen und Künstler zu erschaffen und seine romantische Sichtweise zu reflektieren. So wird seine Reise immer mehr zur Pilgerfahrt ins eigene Innere, wobei dieses am Ende mit der äußeren Welt verschmilzt. Auf diese Weise werden Städte, Bauwerke und Landschaften durch seine individuelle Sicht verwandelt, eine von Literatur und bildender Kunst geprägte Perspektive.
Deshalb ist der Titel Programm; die Briefe etablieren auf diese Weise etwas Neues und Ungewohntes.
Zum Beispiel die überwältigende Passage, in welcher sich in Rom die Kuppel von St. Peter, von oben
betrachtet, in den heidnischen Palast des chinesischen Kaisers Ki verwandelt (in seine künstliche, surreale Phantasiewelt), repräsentiert deutlich die Macht der Gefühle; unterstützt wird seine Erzählung von den Kräften des Unterbewussten. Ein einzigartiger Erzählstil vermittelt sich gepaart mit jeder Menge poetischer Empfindsamkeit.