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Erinnerungen an Karl Müssel (1922-2008)

BayreuthErinnerungen an Karl Müssel (1922-2008)

In meiner Anfangszeit an der Universitätsbibliothek Bayreuth lernte ich schon bald einen Mann kennen, ohne dessen unermüdliche, jahrzehntelange Forschungsarbeit wir heute sehr viel weniger über Stadt und Markgrafschaft Bayreuth wüssten. Der gesetzte, nicht eben große, schon etwas angegraute Herr zählte zu den eifrigsten Bibliotheksbenutzern. Nicht selten ließ er sich dabei Handschriften oder alte Drucke vorlegen, für die ich während meiner Bayreuther Bibliotheksjahre (1979-2014) zuständig war. Gemeinsame Interessen und wechselseitige Sympathie verwandelten unsere dienstliche Bekanntschaft im Laufe der Jahre in eine freundschaftliche Beziehung.

Die Rede ist von Karl Müssel, dessen Geburtstag sich am 17. Juni 2022 zum 100. Male jährte. Er gehörte zu jener Generation, die, kaum der Schulbank entwachsen, in den Krieg ziehen musste. Er sprach selten darüber. Nur einmal erzählte er mir ausführlicher, wie er nach dem Krieg zu Fuß nach Bayreuth heimgekehrt sei, wie er mitgeholfen habe, in der zerbombten Stadt den Trümmerschutt zu beseitigen, über dem an manchen Stellen noch der Leichengeruch hing, und wie dankbar er wäre, die Kriegsjahre heil überstanden zu haben.

In Erlangen studierte der Kriegsheimkehrer Deutsch, Geschichte und Erdkunde, ging anschließend in den Schuldienst und unterrichtete von 1951 bis zu seiner Pensionierung 1984 am Bayreuther Gymnasium Christian-Ernestinum. Gewissenhaft erfüllte er seine Lehrtätigkeit und er war stolz darauf, sich schon „Gymnasialprofessor“ nennen zu dürfen, ehe man diese klangvolle Amtsbezeichnung in den 1970er Jahren durch den farblosen „Studiendirektor“ ersetzte.

Nicht weniger pflichtbewusst sorgte er für seine Familie. Ihretwegen ließ er den Plan fallen, mit einer Biographie über Markgraf Friedrich (1711-1763) zu promovieren. Zu häufig hätte er zum Quellenstudium verreisen müssen. Was er über Friedrich schon erarbeitet hatte, veröffentlichte er jedoch 1954 und 1956 in zwei sog. Programmschriften, mit denen zugleich die lange Tradition der wissenschaftlichen Schulprogramme am Christian-Ernestinum ihr Ende fand.

Lebenslang aber und mit nie erlahmender Leidenschaft widmete sich Karl Müssel der Geschichte von Stadt und Markgrafschaft Bayreuth. Er war ein Heimatkundler in des Wortes bester Bedeutung. Mit weit über dreihundert Publikationen zählt er zu den produktivsten bayreuthischen Lokal- und Regionalhistorikern überhaupt. Akribische Forschung und hohes wissenschaftliches Ethos prägen all seine Veröffentlichungen. Dabei darf man nicht vergessen, dass es bis in die 1970er Jahre hinein sehr viel schwieriger war als heute, an benötigte Literatur und Dokumente zu gelangen. In Bayreuth gab es noch keine Universitätsbibliothek, in Bayern noch keinen Bibliotheksverbund und weltweit noch kein Internet!

Der Historische Verein für Oberfranken war Müssels wissenschaftliche Heimat. Ihm diente er als Vorstandsmitglied und langjähriger Schriftleiter des Archivs für Geschichte von Oberfranken. Für diese seit 1828 bestehende Vereinszeitschrift verfasste er selbst nicht weniger als 64 Abhandlungen – mehr als irgendein Beiträger vor oder nach ihm. Seine kleineren Arbeiten dagegen erschienen oft in den Heimatbeilagen der Bayreuther Lokalpresse. Eine davon, die Frankenheimat, redigierte er  sogar selbst über mehrere Jahre hinweg.

Müssels Hauptwerk ist aber zweifellos seine Stadtgeschichte Bayreuth in acht Jahrhunderten, die zum Jubiläumsjahr 1994 erschien. Etwa ein Jahr zuvor hatte er mich bei einem Bibliotheksbesuch mit einigen bereits fertig ausformulierten Abschnitten des späteren Buches überrascht. Ob man in dieser Art wohl eine Geschichte Bayreuths abfassen könne, fragte er mich ernsthaft mit der ihm eigenen Bescheidenheit. In der Folge wurde ich zum Lektor und ersten Leser seiner Stadtgeschichte. Unvergesslich sind mir die Abende, die ich in seinem Studierzimmer verbringen durfte, wenn wir bei einem Glas Dornfelder die neu verfassten Passagen durchgingen.

Für seine historische und publizistische Tätigkeit wurde Karl Müssel 1987 mit dem Kulturpreis der Stadt Bayreuth, 1993 mit dem Ludwig-Gebhard-Preis der Oberfranken-Stiftung geehrt. Bei der Verleihung des Kulturpreises bedankte er sich mit der Dichtung „Bayreuths Ruhmesengel“. In freien Rhythmen verkündet darin die Figur des Fama-Brunnens den Ruhm der Stadt. Manchen wurde erst damals bewusst, dass der Heimatforscher auch eine lyrische Ader hatte. Dabei war eine seiner ersten Veröffentlichungen ein Mundartgedicht! Es erschien schon 1949 unter dem Pseudonym „Gärgla“ in der Fränkischen Presse und trug den bezeichnenden Titel „Die schee Bareither Schprooch“.

Seiner Bayreuther Heimat blieb Karl Müssel zeitlebens treu. Noch wenige Monate vor seinem Tod erschien im Archiv für Geschichte von Oberfranken ein letzter Aufsatz aus seiner Feder. Auf seinem Schreibtisch aber lagen schon die Vorarbeiten für den geplanten nächsten Beitrag, als ihm der Tod am 17. Februar 2008 die Feder für immer aus der Hand nahm. 

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