Es tönt, bearbeitet für ein kleines Ensemble, so in den Raum, wie wir‘s gewohnt sind – aber plötzlich stutzen wir. Neue Töne fluten unversehens das Vorspiel, das Präludium zu Tristan und Isolde endet im spätromantischen Klangzauber. Der Bearbeiter traute sich etwas, als er seiner Transkription ganz am Ende eine eigene Note verlieh, indem er 24 Takte hinzu komponierte. 1882 sollte er für Wagner das erste Parsifal-Zwischenspiel verlängern: Engelbert Humperdinck, der dem Komponisten bei dessen letzten Festspielen als musikalischer Assistent zur Seite stand und später mit Hänsel und Gretel einen dauernden Opernwelterfolg komponierte. Dass der Mann mehr war als ein one-work-composer, weiß man auch durch seine Kammermusik, die noch ein wenig im Verborgenen schlummert. More than a myth präsentiert einige Ersteinspielungen, zumal von Jugendwerken, die gut belegen, dass er sich schon früh darauf verstand, im Zeitalter von Brahms und Wagner haltbare Musik zu schreiben. Ein liebliches Notturno-Quintett, ein lyrisch beseelter e-Moll-Quartettsatz und einige Sachen für Violine und Klavier stehen gleichberechtigt neben einigen Liedern, unter denen die drängende Ballade herausragt. Richard Wagner hatte gute Gründe, Humperdinck in die Werkstatt Bayreuth aufzunehmen; das dramaturgisch gestaltete Programm zeigt uns einen Musiker auf dem Weg zu sich selbst – und in der Endzeit seiner Laufbahn, in der er wehmütig in die „gute alte Zeit“ zurückschauen mochte. Mit einem Wort: sehr, sehr schön.
More than a myth. Chamber Music & Songs by Engelbert Humperdinck. Hänssler Classic.