19 C
Bayreuth
Montag, 9. September 24

Bayreuther Stipendiatenkonzert

Das Leben besser machen Das Bayreuther Stipendiatenkonzert 2024 „Wie...

Schönbergs Wagner, Straussens Wanze

In Wahnfried: Liederabend mit Werken von Wagner,...

Ein kleines Juwel – gut gespielt

In Sanspareil: Die Studiobühne Bayreuth spielt Voltaires...

Ein echter Musiker

Bayreuther FestspieleEin echter Musiker

Augsburg – Albert Mamriev spielt: Liszt und Schubert

Vor etlichen Jahren war er, der Mann aus Dagestan, Stipendiat des Augsburger Richard-Wagner-Verbandes. Seitdem hat er immer wieder beim Verband in der Stadt am Lech gespielt. Dass Wagners Werke dabei immer eine Rolle spielten, versteht sich von selbst, aber was setzt ein Musiker aufs Programm, wenn Wagner selbst kaum bedeutende Werke für das Piano geschrieben hat? Liszt.

Natürlich ist es nur ein halber Witz, Kompositionen von Wagners Schwiegervater in einem Konzert eines Wagner-Verbandes zu Gehör zu bringen, denn Liszt ist bekanntlich ein Meister eigenen Ranges. Welche Bedeutung er für die Musikgeschichte hat: es muss jedes Mal erspielt werden. Mamriev ist dafür der geeignetste Mann, denn seine Interpretationen zeichnen sich, nicht allein im Fall der Werke des größten Klavierspielers des 19. Jahrhunderts, stets durch immense Klarheit und, falls es so etwas in der Kunst gibt, durch Logik aus. Er gehört zur seltenen Spezies der denkenden Musiker, nicht allein „Klavierspieler“, unter den Pianisten, die jedes Konzert zu einem inneren Erlebnis machen. Diesmal setzte er fünf Stücke aus dem Schweiz-Teil der „Années de Pèlerinage“ auf den Zettel, die, noch vor dem grandiosen „Rausschmeißer“ des „Orage“, also des „Sturms“, in einer deliziösen Deutung des „Vallée D’Obermann“ gipfeln. Indem Mamriev die tiefste Romantik mit dem Sinn für Strukturen und Entwicklungen versieht, macht er auch aus diesem Glanzstück der Lisztschen Poesie ein spannungsreiches Werk; wer Mamriev am Klavier hört, wird danach bemerken, dass er, der Hörer, beim Hören nicht abgeschweift ist… Dem Genius loci namens Wagner aber erweist er diesmal Reverenz, indem er den Lieder nach Gedichten der Mathilde Wesendonck die erste Paraphrase abgewann, die m.W. von diesen fünf Stücken existiert. Statt, wie August Stradal es im 19. Jahrhundert tat, eine simple Transkription des Notentexts zu erstellen, variiert Mamriev auf äußerst reizvolle wie unterhaltsame Weise Wagners Liedkompositionen. Mal schillert’s, dank der blue notes, leicht jazzig, mal fährt er wie der Liszt der schwungvollen Brillanz über die Tasten – ohne Wagners Original eigensüchtig zu überformen. Es macht einfach Freude, dieser neuen Version der Wesendonck-Lieder, deren „Engel“ der Musiker und Bearbeiter dem Augsburger Wagner-Verband gewidmet hat, zu lauschen. An diesem Abend erlebten sie ihre Uraufführung.

Wie gesagt: Mamriev ist, indem er Pianist ist, zugleich ein Musiker hohen Grades. Man merkt’s schon beim interpretatorisch anspruchsvollsten Stück des Abends, keinem Prunkstück der Virtuosität, sondern einem Juwel der Innerlichkeit und der Rätsel, mit dem Mamriev charakteristischerweise das Programm beginnt. Schuberts letzte Sonate, die B-Dur-Sonate D 960, ist ein äußerst ungewöhnlicher, weit in die Zukunft reichender Markstein der Gattung Klaviermusik. Mamriev nimmt es mit der „himmlischen Länge“ (wie Schumann sagte, der nicht von „himmlischen Längen“ sprach) des Werks auf. Es gelingt ihm nicht allein, die ungewöhnlichen Dimensionen des ersten Satzes so zu entwickeln, als könnte die Musik nicht anders klingen und die Spannung zwischen den Bruchstücken nicht größer sein, ohne dass die Form daran zerbricht. Er spielt auch das Scherzo nicht einfach, wie viele seiner großen Kollegen, herunter, sondern versieht es mit dem Ton einer spitzen Ironie und der Abgründigkeit, wie sie nach den ersten beiden Sätze nur möglich sein kann. Wie gesagt: ein denkender Musiker…

Das Konzert aber beendet er, noch einmal hinreißend, dabei technisch und interpretatorisch bis ins Letzte kontrolliert, mit Liszts „Fantasiestück über Themen aus Rienzi“, einem Bravourstück ersten Rangs. Dass es sich, über die geforderte Brillanz hinaus, um ein Werk handelt, in dem sich die Virtuosität (abgeleitet von „virtus“: „Tugend“) mit der Freude an der Musik verbindet: um dies zu beweisen, bedarf es allerdings eines Musikers vom Range Albert Mamrievs. Starker Beifall nach einem wunderbaren Augsburger Klavierprogramm.

Frank Piontek

Weiterschmökern

Beiträge nach Kategorien:

Die beliebtesten Artikel