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Das Miltacher Kirchenpatrozinium mit Martiniritt

FestkulturDas Miltacher Kirchenpatrozinium mit Martiniritt

Sie sind schon prachtvoll, die Ramsnasen. Doch sind sie „nur“ der wenn auch prachtvolle Mittel zum kirchlichen Zweck. Wird er auch allgemein „Miltacher Martiniritt“ bezeichnet so, verhält sich‘s mit ihm wie mit dem Pottensteiner Lichterfest: er ist „nur“ der weltlich aussehende Teil eines religiösen Fests. „Kirchenpatrozinium mit Martiniritt“, so heißt die Veranstaltung, die von der Pfarrgemeinde und der politischen Gemeinde ausgerichtet wird, denn auch korrekt. Am 12. November wird also wieder das Patrozinium zu Ehren des heiligen Martin gefeiert: in Miltach, ein paar Kilometer südöstlich von Cham. Wie alt der Umritt ist, entzieht sich der quellenmäßigen Nachprüfung, auch wenn von Lokalhistorikern die Vermutung geäußert wurde, dass er schon vor ziemlich genau 300 Jahren, präzis: 1720, veranstaltet wurde, als eine Viehseuche in der Gegend tobte und als Sühnemaßnahme und Bittgang zum ersten oder wiederholten Mal die Pferde in Einsatz kamen, die auch heute noch den Ruf des Patroziniumfests überregional ausmachen. 1748 sind größere Feierlichkeiten zum Kirchweihfest bezeugt, doch soweit es den Ritt betrifft, ist lediglich gesichert, dass er spätestens seit der Gründung der Expositur Miltach, also seit 1880, durch den Ort ging. Es begann allerdings nicht mit einer Kohorte, sondern zunächst mit einem einzelnen Mann, der, das Kreuz tragend, der Prozession voranreiten durfte, in diesem Fall niemand Größerer als der Knecht des Pfarrers von Chamerau. Dem Pfarrersknecht folgte, zeitlich gesehen, irgendwann mit dem Knecht der Brauerei Martin ein Vertreter der Leiblichkeit. Die Tradition blieb gewandelt erhalten: Heute führt der Besitzer des Anwesens Martin die Prozession kreuztragend wie reitend an. Wie der Ritt damals aussah, erhellt aus einem 1913 veröffentlichten Bericht: „Die Reiter an der Spitze der Fußprozession hatten sich in Trab gesetzt, um rasch in den Friedhof zu gelangen und innerhalb dessen enger Ummauerung die Kirche langsam zu umreiten. Da in dem einzigen, für die Pferde passierbaren Zugang sich Ein- und Ausreitende begegnen, dauert der Umritt um das Gotteshaus seine geraume Zeit und man muss dennoch fertig sein, bis die Schulbuben von der Straße her kommend, laut schreiend beziehungsweise betend, nachkommen“. Mitten im ersten Weltkrieg, 1916, erhielt die Prozession ihre Regeln, an denen sich nicht viel geändert hat – außer, dass es um 1920 noch üblich war, dass der Ortsgeistliche das Pferd bestieg, um am Umritt teilzunehmen. Dem festlichen Gottesdienst zur Feier des Patroziniums folgt der Umritt (Männer und Frauen, Wacholderzweige am Hut) mit Fußprozession, natürlich mit den Ortsvereinen und ihren Fahnen, dann die Kirchweih: mit dem traditionellen Gänsebraten, typischen Kirta-Küchln und -Striezln. Werden heute noch, wie vor 100 Jahren und wie beim Kötzinger Ritt, am Kirchenplatz vom Pfarrer die „Jubelreiter“ ausgezeichnet? Auf jeden Fall ergeht immer noch der Aufruf der Gemeindeverwaltung, dass die Anlieger des Prozessionsweges doch bitteschön ihre Häuser schmücken mögen. Und unbezweifelt ist der Umstand, dass selbst in der säkularisierten Gesellschaft der Oberpfalz der Martiniritt das ureigene, zentrale Fest ist, das die Identität der Einwohner, quasi im langsamen Galopp, jährlich und rituell befestigt.

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