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Beautiful Music, beautiful rhythm

BayreuthBeautiful Music, beautiful rhythm

Ulrich Tukur & Die Rhythmus Boys bei der Musica Bayreuth

Als Peter Zadek 1984 an der Freien Volksbühne in Berlin Joshua Sobols Musical Ghetto inszenierte, spielte er das Saxophon. Dann wechselte er das Instrument und mähte mit dem Maschinengewehr den Rest der Einwohner des Ghettos von Wilna nieder.

Es war schockierend – und unvergesslich. Er: das war damals Ulrich Tukur als Bruno Kittel, der sich als sadistischer Ghettokommandant in die (Theater)geschichte einschrieb. Wenn man heute Lieder von 1938 hört, die er zusammen mit seiner kleinen Band, den Rhythmus Boys, im Auftrag der Musica Bayreuth auf die Bühne des Reichshofs bringt, und wenn man die lustig-launigen Geschichten und Gedichte, von Möricke über Goethe (Mephisto spukt auch einmal herein) zu Tukur, hört, die er zwischen den Songs zum Besten gibt, kreuzen sich auf seltsam schöne wie skurrile Weise die Zeiten und Genres. Der Musik blieb der Schauspieler (und Romancier) treu; vor bald 20 Jahren gründete er die Rhythmus Boys, und selbst der und die, die das bisher nicht wussten, haben mitbekommen, wie glänzend dieser glänzende Schauspieler Klavier spielen kann. Die Tatort-Folge Das Dorf (von 2011) gehört zu den schönsten, schrägsten und bewegendsten aller Murot-Krimis. Tukur, die tanzenden Kessler-Zwillinge mit „Di mi quando“ begleitend – das hatte das gewisse Etwas.

Das gewisse Etwas hat auch die Combo: der kleine, große Kalle Mews am Schlagzeug, der ca. doppelt so hohe Günter Märtens am Bass, der extrem gegelte Ulrich Mayer an der auch mal solistisch wie scheinbar (scheinbar!) parodistisch ausgespielten Gitarre: die „Jungs“ bilden nicht nur ein körperlich extrovertiertes Terzett, auch ein glänzendes Trio, zusammen mit Tukur ein perfektes, auch singendes Herren-Quartett. Es leuchten die Sterne, die Musik tut’s auch, wenn Profis aufeinandertreffen, die Humor mit Musikalität, Sinn für das rechte Timing und sichtlich Spaß an der Freude mitbringen. „Nasse Lyrik“, einst gesungen von Eva Busch – nb: der Tochter Franz Beidlers, der mit Wagners Tochter Isolde verheiratet war, aber nicht mit ihr Eva Busch zeugte –, paart sich mit Glenn Millers „Tuxedo Junction“ (die Posaunen kann man ja nachahmen), hübsch hanebüchene Geschichten aus Bielefeld (wie Oetker das Backpulver erfand) mit realen „Erinnerungen“ an die Großen – Cole Porter und Irving Berlin. La guarda la luna überspringt auch die Landesgrenzen, bevor, mit Rilkes weltberühmtem Hamster (Hamster?) im Gepäck, der legendäre Schwarze Hamster, pardon: der Schwarze Panther zuschlägt. Schier unglaublich der Schlagzeuger, der sich in Von acht bis um acht wie eine Boje im Wasser bewegt – und noch unglaublicher, wie die vier Herren La Paloma anstimmen: im Nachtnebel, am Hafen, in purer Atmosphäre. Tukur greift zuletzt zum Akkordeon, ein Senor hat da schon längst eine schöne Señorita getroffen, a little dream wurde bereits geträumt, die entzückend abstruse Geschichte des „Festspielhauses“ und des Fliegenden Holländers erzählt, der hier, im Reichshof, 1841 uraufgeführt werden sollte. Tukur singt sich mit dem leicht erhöhten Ton eines Rudi Schuricke – einem Erbe der 20er Jahre – in die Herzen der Zuhörerinnen und Zuhörer, die anderen Instrumentalisten machen das, was man eine „tolle Show“ nennt – und sie sind doch ganz bei der Musik, damit ganz nah beim Publikum. Beautiful Music, beautiful rhythm, das war das Motto, es wurde eingelöst: in zwei kurzen wie extrem kurzweiligen Stunden mit den großartigen „Schlagern“ einer Vergangenheit, die glücklicherweise solange nicht zuende ist, wie sie von Tukur, Mews, Märtens und Mayer gemacht wird. Nach dem Programm trat man verzauberter auf die Maxstrasse hinaus als man in den Saal hineinging. Die Musica ist eben auch dort zuhaus, wo sich entzückend sinnfreier Humor mit brillant-legerem Liedgut trifft.

Die Betonung liegt auf „gut“, denn die Sterne leuchten gerade dort, wo sich die Zeiten kreuzen und ein Primus inter Pares die Massen anlockt.

Frank Piontek

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